In der Serie „Suits“ steht Mike vor der Enthüllung seiner illegalen Aktivitäten als Anwalt ohne juristische Ausbildung. Er muss entscheiden, ob er die Konsequenzen seiner Handlungen akzeptiert oder einen Deal eingeht, bei dem er preisgibt, dass sein Mentor Harvey von den illegalen Machenschaften wusste, um sich selbst zu entlasten.
Mike entscheidet sich den Deal nicht einzugehen. Aber warum schweigt er über Harveys Involvierung?
Sein Schweigen basiert auf einer tiefen Dankbarkeit gegenüber Harvey, der ihm die Möglichkeit gab, als Anwalt zu arbeiten. Mike entscheidet sich bewusst dazu, Harvey nicht zu verraten und nimmt die volle Verantwortung sowie die damit verbundene Gefängnisstrafe auf sich.
Natürlich sind unsere Alltagssituationen nicht mit Mikes dramatischem Dilemma vergleichbar. Dennoch ist das Gefühl sich verpflichtet zu fühlen und Dankbarkeit zu zeigen allgegenwärtig, wenn uns jemand Gutes tut. Angenommen Sie erhalten ein Geburtstagsgeschenk von jemandem, den Sie nicht zu Ihrer Geburtstagsfeier eingeladen haben. Schnell entsteht das Bedürfnis, sich revanchieren zu wollen, indem Sie die Person doch noch zur Feier einladen. Die Situation begegnet uns im Alltag öfter: Ob es sich um Hilfe beim Umzug, eine nette Geste des Kochs im Restaurant, außergewöhnliche Freundlichkeit von Bedienungen, Einladungen oder kleine Geschenke handelt – der Wunsch, sich zu revanchieren, ist ein fester Bestandteil unserer menschlichen Erfahrung.
Dieses Verhalten gründet sich auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität).
In Zeiten des Fachkräftemangels wird die Unternehmenskultur zunehmend zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung neuer Talente. Toxisches Führungsverhalten hingegen kann sich negativ auf wichtige Unternehmenskennzahlen auswirken und den langfristigen Erfolg gefährden.
Das Verpflichtungsgefühl kann auch manipulativ genutzt werden, wie beim Phänomen des „Anfütterns“. Dabei werden zunächst Aufmerksamkeiten gewährt, um später einen Gefallen einzufordern. Selbst kleine Geschenke können Verpflichtungsgefühle auslösen und zu nicht-regelkonformem Verhalten führen. Diese Aufmerksamkeiten können finanzieller, materieller oder immaterieller Natur sein wie zum Beispiel besondere Freundlichkeit, Beförderung oder Lob.
Nicht jede Aufmerksamkeit verfolgt schädliche Absichten! Dennoch ist im beruflichen Kontext besondere Achtsamkeit geboten. Je bedeutsamer eine Aufmerksamkeit für uns persönlich ist, desto schwieriger wird es, den Gefallen nicht zu erwidern. Hierbei besteht die Gefahr, gegen das eigene bessere Wissen zu handeln, sogar bis hin zu Verstößen gegen Compliance-Richtlinien.
Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass das Prinzip auch bei wesentlich weniger offensichtlichen Risiken greift. Ein noch so kleines Kundengeschenk von geringem Wert kann ausreichen, um unser Verpflichtungsgefühl zu aktivieren. Insofern bietet im schlimmsten Fall auch eine Schachtel Pralinen bereits das Einfallstor für Verpflichtungsgefühle, die in einer nicht-regelkonformen Dynamik aus Geben und Nehmen enden.
Reziprozität als vorhandene Herausforderung annehmen, immer wieder ins Bewusstsein rufen und den Instinkt zum Selbstschutz bei Beschäftigten stärken.
Unternehmen, vor allem Führungskräfte, können das Prinzip bei ihren Mitarbeitenden anwenden, indem sie auf persönliche Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten, Fairness und – wenn machbar – Flexibilität bei veränderten Lebensumständen setzen. Auf diese Weise wird das Prinzip konstruktiv genutzt und es entsteht eine wechselseitige Dynamik in die gewünschte Richtung.
Compliance als Führungsthema nicht nur im Top-Management etablieren, sondern insbesondere auf der mittleren Managementebene.
Klare Kommunikation, regelmäßige Schulungen, kontinuierliche Überprüfungen, Ombudsstellen und angemessene Sanktionierung von Verstößen gegen Richtlinien.
Zur Entwicklung von Risikobewusstsein und einer wirksamen Compliance-Kultur ist es maßgeblich den Haupterfolgsfaktor Mensch zu verstehen und in der Strategie, den Konzepten und der Umsetzung mit zu berücksichtigen.
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